Das Transformative

Potenzial der Verkehrswende


Impulsvortrag – Kongress für Stadtentwicklung

„Weltmetropole. Berlin leben
und gestalten“

IHK Berlin am 10. Juni 2024


Thesenpapier zum Impulsvortrag "Das transformative Potenzial der Verkehrswende" in der Session "Car(e)free City: Eine realistische Vision?"


Verkehr und öffentliche Flächen in urbanen Räumen müssen neu konzipiert werden, wenn Großstädte zukunftsfähig – lebenswert, gesundheitsfördernd und klimagerecht – werden sollen. Ein Paradigmenwechsel von der auto- zur menschenzentrierten Stadt ist unerlässlich.

 
  • Öffentliche Räume sind das wichtigste Gemeingut von Städten – sie sind knapper denn je und von großer Bedeutung für die Klimaanpassung und gemeinwohlorientierte Nutzungen.
  • Öffentliche Räume sind die Basis für gesellschaftliche Begegnung und Interaktion, politische, wirtschaftliche und soziale Aktivitäten. Verkehrsberuhigte und begrünte öffentliche Räume sind gemeinschaftsfördernd, stärken soziale Nachhaltigkeit, Resilienz und demokratische Kultur.
  • Jede temporär oder dauerhaft autofrei umgewandelte Straße macht erlebbar, wie viel Raum zum Leben dadurch entsteht und wie viel Lebensraum Autos einnehmen.
    → Kiez- und Superblocks sowie andere Interventionen im öffentlichen Raum sind effektive Instrumente der Verkehrsberuhigung und gesellschaftlicher Stadtgestaltung – für eine Skalierung sind weitere Experimente und Reallabore sind erforderlich.
    → Vor allem internationale Beispiele städtischer Verkehrstransformationen machen die Potenziale der Verkehrswende sichtbar: von der Umnutzung einzelner Parkplätze und Fahrspuren für den motorisierten Verkehr und der Restrukturierung von Quartieren bis zum Autobahn-Rückbau.
    → Rückgebaute Schnellstraßen und Stadtautobahnen bergen ein enormes Potential, vor allem für stark verdichtete metropolitane Räume – in Seoul werden seit 20 Jahren Freeways erfolgreich in Parks und menschenzentrierte Räume umgewandelt.
  • Klimaangepasste und vom Verkehr befreite Wohnblocks und Quartiere befördern sowohl die planetare als auch die menschliche Gesundheit und Sicherheit. Geringere Belastungen durch Verkehrsemissionen (v.a. Feinstaub, Stickoxide), Lärm und Hitze fördern nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Aufenthaltsqualität und Lebenszufriedenheit der Menschen vor Ort. Auch die Wirtschaft profitiert von attraktiven und lebenswerten öffentlichen Stadträumen und Wohnquartieren durch steigende Kundenfrequenz und Umsätze im Einzelhandel – auch durch wegfallenden Parkplätze (Studie BMVD).
Resümee
Die Privilegierung einer Mobilitätsform ist gesellschaftlich nicht mehr tragbar.
Transformationsprozesse brauchen aber Anreize, Zeit, Raum und Ressourcen:
gesellschaftliche Debatten, personelle und finanzielle Ressourcen für Experimentierräume,
Prozessgestaltung und Umsetzung – und vor allem den politischen Willen, die rechtlichen
Rahmenbedingungen, die die Privilegierung der Automobilität unterstützen, zu verändern
und Pfadabhängigkeiten zu überwinden.

Was ist zu tun?
  • Für die Mobilitätswende mit einem umweltfreundlichen multimodalen und sozialgerechtem Mobilitätsangebot müssen die bestehenden Verkehrsinfrastrukturen grundsätzlich transformiert werden.
  • Ohne ein Ende der autozentrierten verkehrserzeugenden Stadt- und Siedlungsplanung ist die Mobilitätswende nicht zu schaffen. Neue Wohngebiete brauchen zuallererst eine gute Anbindung an das ÖV-Netz. Auch das Einhalten der Klimaziele bedingt eine Reduktion des Autoverkehrs um 25-33 % (Deutsches Institut für Urbanistik).
  • Verhaltensveränderungen brauchen eine Motivation – Vorreiter und Pionierprojekte, die Machbarkeit aufzeigen und Lust zur Veränderung wecken. Inspirierende Zukunftsstadt-Bilder, Realutopien, neue Narrative und Konzepte wie die „15-Minuten-Stadt“ oder die „Lebenswerte und gesunde Stadt“, die motivieren, gesellschaftliche Leitbilder und Vorstellungen zu hinterfragen und den Wandel als Chance zu begreifen.
  • Die Mobilitätswende braucht diskursive Räume mit professioneller Moderation – ein gesellschaftlicher Dialog ist erforderlich – auch über zukunftsfähiges Leben, erstrebenswerte Wohn- und Lebensmodelle. Dafür müssen städtische Wohnquartiere menschenzentriert, grün und qualitätvoll gestaltet werden – autofrei und gut öffentlich angebunden.

...Ohne attraktiven, funktionierenden öffentlichen Verkehr und Subventionsabbau für Automobilität 
steigt aber niemand aus dem Auto!